Der Text der Anfrage vom 17.01. 2019 der Stuttgarter Gemeinderatsfraktion SÖSLinkePluS lautet:
“Die Telekomstiftung gilt als komfortabler Landeplatz für Politiker_innen[1], die zumeist im Spätherbst ihrer Karriere angekommen sind. So hat Stuttgarts ex-Oberbürgermeister Wolfgang Schuster die Stiftung – nach seinem Ausscheiden aus dem Stuttgarter Amtssitz – vom 1. Januar 2015 bis Herbst 2018 geleitet. Auf ihn folgt nun CDU-Parteikollege und Innenminister a.D. Thomas de Maizière auf dem Chefsessel der Stiftung.
Mit dem Abgang von Wolfgang Schuster von der Spitze der Telekomstiftung folgt eine Berufung zu anderen Aufgaben innerhalb des Konzerns; in einer Pressemitteilung der Telekomstiftung vom 6. September 2018 heißt es: „Schuster wird den Konzern künftig in kommunalpolitischen Fragestellungen in Bezug auf den Breitbandausbau und die Digitalisierung beraten. Als Vorsitzender des neu geschaffenen Kommunalbeirats wird er an der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Kommunen und der Deutschen Telekom mitwirken. Dabei bringe er „seine ausgewiesene Expertise als Kommunalpolitiker und ehemaliger Stuttgarter Oberbürgermeister ein“, so Höttges weiter.“ Just in diesem Zeitraum beschließt der Stuttgarter Gemeinderat den Ausbau der Breitbandversorgung (Breitbandversorgung – Stand der Planungen/Verhandlungen – Weiteres Vorgehen – Mittelbereitstellung und Stellenschaffung GRDrs 514/2018). Überraschender Weise erhält die Telekom den Zuschlag für den Ausbau von Breitband und Mobilfunk. In der Vorlage 514/2018 heißt es: „Bis auf die Deutsche Telekom und einem anderen potentiellen Kooperationspartner können keine weiteren Unternehmen zusätzliche eigenwirtschaftliche Ausbauaktivitäten und -investitionen in das Regionsprojekt mit einbringen. Bezogen auf die Erreichung der Regionsziele zur FTTB/H Versorgung bis 2025/30 in einem kooperativen Ansatz beinhaltet nur das Telekom-Angebot Ausbauinformationen und Investitionsangaben. Darüber hinaus soll die Region Stuttgart sehr frühzeitig und priorisiert mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G in Deutschland versorgt werden.“
Deshalb fragen wir und bitten um schriftliche Stellungnahme innerhalb der nächsten sechs Wochen nach § 27 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Gemeinderats der Stadt Stuttgart:
- Welche Rolle spielte Wolfgang Schuster bei dem Verfahren, in welchem die Telekom den Zuschlag für den Breitband- und Mobilfunkausbau in der Region Stuttgart bekam?
- Wer in der Verwaltung hatte zu welchem Zeitpunkt in Sachen Breitband und Mobilfunk Kontakt zu Wolfgang Schuster?
- Hat die Stadt Beratungsleistungen des Kommunalbeirats der Telekom, von Wolfgang Schuster oder der Telekomstiftung angenommen?
- Wie erklärt sich die Stadt die Tatsache, dass offenbar „nur das Telekom-Angebot Ausbauinformationen und Investitionsangaben“ beinhaltete?
- Teilt die Stadt Stuttgart die Einschätzung, dass Breitbandausbau Teil der Daseinsvorsorge ist? Wenn ja, wie ist es mit öffentlicher Daseinsvorsorge vereinbar, dass die Stadt Stuttgart – gemeinsam mit der Region – einem Großunternehmen städtische Infrastruktur zur Verfügung stellt, damit – wie in diesem Falle – die Telekom ihre Vermarktungsinteressen über die Installation eines 5G-Netzes langfristig absichern kann? Zudem erhält die Telekom damit die Möglichkeit – in Kooperation mit Unternehmen der Automobilindustrie – die Stadt als Laborraum zum Test neuer Produkte (z.B. autonomes Fahren) zu nutzen.
- Wie will die Stadt verhindern, dass die Telekom – wie sie dies bisher getan hat – nur in rentable Bereiche des Glasfaserausbaus investiert und unrentable vernachlässigt? Welche Sanktionsmöglichkeiten bestehen für die Stadt Stuttgart, um eine „Rosinenpickerei“ zu verhindern?
- Wie wird ein freier Zugang für alle Anbieter zu den Datenleitungen sichergestellt und wie können überhöhte Preise im Falle dieser entstehenden Monopolstellung verhindert werden?
[1] Im Kuratorium nehmen derzeit ex-Ministerpräsident von NRW, Jürgen Rüttgers, ex-Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (beide CDU) Posten ein, die ehemalige Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) sitzt im Kuratorium, auch die derzeitige Ministerin für Bildung im Bund, Anja Karliczek (CDU), sitzt im Kuratorium. An der Führungsspitze durfte sich zwischen 2003 und 2015 ex-Außenminister Klaus Kinkel (FDP) ausprobieren.”