Seit 2006 kritisiert unsere Bürgerinitiative die Mobilfunkpolitik und fordert von der Stadt eine Politik der Strahlenminimierung. Anlass war der Bau des Mobilfunkmastes in der Bismarckstraße 57. Unsere Befürchtungen haben sich bestätigt: Die Wohnungen und Balkone in der Umgebung des Masten sind mit bis zu 500 000 µWatt/m2 belastet (siehe dazu Gutachten Stuttgart-West).

Handymastprotest in Stuttgart-West.

Eine hohe Strahlenbelastung ist in Stuttgart für Wohnungen in oberen Stockwerken kein Einzelfall. Doch die Politik des alten Oberbürgermeister Schuster gab den Mobilfunkbetreibern alle Freiheiten, obwohl die Kommunen Rechte haben, regulierend in die Aufstellung einzugreifen. Wolfgang Schuster wurde belohnt. Heute ist er als Vorsitzender der Telekom-Stiftung ein hoch bezahlter Cheflobbyist.

Bis heute hat sich an dieser Politik nichts geändert, obwohl die Fraktionen der GRÜNEN und SÖS LINKE PLuS mit Anträgen im Gemeinderat und mehrere Bezirksbeiratsgremien in Beschlüssen eine Politik der Strahlenminimierung forderten. Diese Forderungen sind aktueller denn je: durch den LTE – und WLAN- Ausbau und ständig steigende Datenraten werden die BewohnerInnen immer höheren Belastungen ausgesetzt. Dazu ist unsinnig, weil mit dem Einsatz neuester Technik eine bessere Versorgung mit weniger Strahlung möglich wäre. Aus Gründen des Gesundheitsschutzes müsste in einem ersten Schritt in Stuttgart die Strahlenbelastung um ein Mehrtausendfaches gesenkt werden. Das ist durch drei Maßnahmen möglich, ohne die Kommunikationsmöglichkeiten einzuschränken.

Unsere drei Hauptforderungen:

Erstens: Die Trennung von Indoor und Outdoor-Versorgung, die den Schutz der Wohnung vor ungewollter Durchstrahlung ermöglichen würde.

Zweitens: Ein Netz für alle Anbieter – so wie wir auch nur ein Stromnetz und eine Autobahninfrastruktur haben und nicht jeder Autobauer seine eigenen Straßen baut. Statt Versorgung mit großen Sendemasten die Umstellung auf Kleinzellentechnologie (Modell St. Gallen Wireless). Zielvorgabe ist: Die Funkstrecke muss so kurz wie möglich sein. Dafür ist eine Voraussetzung, dass alle Stadtteile mit Glasfaser versorgt sind, und dass die Trennung von Indoor- und Outdoorversorgung Planungsgrundlage ist.

Drittens: Die Mikrowellentechnologie muss schnellstmöglich durch eine gesundheitsverträgliche Technologie abgelöst werden. Daran wird geforscht, mit der optischen Übertragungstechnik VLC (Visible Light Communication) über LED-Licht liegen bereits Ergebnisse vor und die Anwendungsreife steht vor der Tür.

Die gesundheitlichen Risiken der Mikrowellenstrahlung des Mobilfunks, insbesondere für Kinder, sind durch hunderte Forschungen belegt. Auf der Homepage www.EMFData.org können Sie sich über den Forschungsstand informieren. Die Weltgesundheitsorganisation stuft die Mobilfunkstrahlung als „möglicherweise krebserregend“ ein. Die Schweizer Rückversicherung Swiss Re hat diese Strahlung 2013 in die höchste Risikokategorie eingestuft. Der Europarat, das Europaparlament, die Europäische Umweltagentur, der BUND warnen vor Risiken und mahnen eine Aufklärungs- und Vorsorgepolitik an. Im Frühjahr 2015 haben 200 führende Forscher auf dem Gebiet elektromagnetischer Felder an die UNO appelliert, sich weltweit für angemessene Schutzstandards einzusetzen.

Das fordern wir von der Stadt Stuttgart

1. Eindämmen des Wildwuchses von Sendeanlagen durch ein Mobilfunkvorsorgekonzept

Mobilfunkpolitik und Minimierung der Strahlenbelastung in der Gemeinde sind Teil der Gesundheitsvorsorge. Die steigende Outdoor – Versorgung ( Sendemasten, WLAN-HotSpots ) führt zu einer immer höheren Strahlenbelastung. Im Auftrag der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Stuttgart wurde im im Stuttgarter Westen ein Gutachten erstellt. Es zeigt extrem hohe und unnötige Belastungen. Dazu trägt der weitgehend unkontrollierte Wildwuchs an Sendeanlagen (GSM, UMTS, LTE, TETRA) bei. Die vier großen Mobilfunkanbieter betreiben 14 Netze nebeneinander, entsprechend überdimensioniert ist die Zahl der Sendeanlagen. Die Auswirkungen dieses Frequenzmixes auf die Gesundheit sind nicht ansatzweise erforscht. Der derzeit erfolgende Aufbau des LTE-Netzes, der zu einer Verdoppelung der Strahlenbelastung führt, verläuft unkoordiniert und ohne Steuerung der Stadtverwaltung. Sie hat aber über das Baurecht eine Steuerungsmöglichkeit. Ein erster Schritt wäre, die Strahlenexposition durch eine koordinierte Standortplanung zu minimieren und besonders “schlimme” Standorte zu entschärfen. Als Grundlage hierfür kann ein Mobilfunkvorsorgekonzept dienen, wie es bereits von mehreren Bezirksbeiratsgremien und im Gemeinderat gefordert, von einer Gemeinderatsmehrheit aber immer abgelehnt wurde. Dazu schlagen wir erneut folgende Schritte vor:

• Die Stadt erstellt auf Grundlage der bestehenden Senderstandorte ein Strahlenkataster über die von Mobilfunksendeanlagen ausgehende Strahlenbelastung im Gemeindegebiet.
• Die Stadtverwaltung wird vom Gemeinderat beauftragt, ein Mobilfunkvorsorgekonzept zur Eindämmung der unkontrolliert zunehmenden Strahlenbelastung zu erstellen.
• Die Stadtverwaltung unterstützt ein Projekt, um modellhaft in einem geeigneten Bezirk die Strahlenbelastung aus der Mobilfunkversorgung durch Vergleichmäßigung mit der Anwendung neuer Techniken zu minimieren. Vorbild ist das Modell St.Gallen – Wireless.

In den Haushaltberatungen 2016/2017 wurde der Antrag  der Gemeinderatsfraktionen der GRÜNEN und SÖS LINKE PLuS mit den Stimmen der CDU verabschiedet: in ausgewählten Stadtteilen soll die Kleinzellentechnik für die Outdoorversorgung erprobt werden.
2. Gesundheitsvorsorge durch Aufklärung und elektrosmogfreie Arbeitsplätze in kommunalen Einrichtungen
In vielen kommunalen Einrichtungen sind die Arbeitsplätze mit Geräten wie z.B. DECT- Schurlos- telefonen und WLAN – Verbindungen ausgestattet, die ständig Elektrosmog emittieren. Die Beschäf-tigten und Nutzer sind meist nicht über deren Risiken informiert. Es gibt inzwischen deutliche Hinweise, dass Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme oder auch Erschöpfungszustände mit der wachsenden Strahlenbelastung zusammenhängen können. In Betriebsteilen der Allianz-Versicherung wurden Arbeitsplätze elektrosmogfrei gemacht, was dazu beitrug, dass der Krankenstand erheblich gesunken ist ( Bericht “Weniger Elektrosmog für 750 Mitarbeiter. Vorangehen, neue Wege gehen”, Zeitschrift ”Wohnung + Gesundheit” , Nr. 148/2013). Allein durch den geringeren Krankenstand hat sich diese Aktion ausgezahlt. Die Strahlenminimierung kann vielfach sofort erfolgen, statt WLAN Kabelverbindungen Vorrang bekommen und z.B. alte, dauerstrahlende DECT-Schnurlostelefone durch die neueste strahlungsarme Generation ausgetauscht werden. Gerade in Kindergärten und Erziehungs-einrichtungen sollten solche Umstellungen umgehend eingeleitet werden. Um solchen Maßnahmen Akzeptanz und Nachhaltigkeit zu verleihen, müssen die Beschäftigten von der Gemeinde und in den Erziehungseinrichtungen über die Risiken, die Alternativen und den verantwortungsvollen Umgang mit den Kommunikationstechnologien informiert werden.

3. Datensicherheit muss Vorrang bekommen
In der Stuttgarter Innenstadt sollen überall WLAN-Hotspots aufgebaut werden, obwohl es dort keine Funklöcher gibt. WLAN in der Innenstadt ist eine Maßnahme, um von den Konsumenten alle Verhaltensdaten abgreifen zu können. Im Auftrag von Kaufhausketten und lokalen Händlern werden von Privatfirmen über WLAN die Bewegungsdaten und das personalisierte Kaufverhalten der Bürger ausspioniert. Die Kombination der personalisierten Daten aus Google, Facebook, Twitter, Schufa-, Bank- und Gesundheitsdaten, Kassenauswertungen der Einkaufsketten und der Vernetzung der Autos über LTE und WLAN ein exaktes digitales Profil unter Aufhebung jeglicher Privatsphäre. Der digitale Abdruck des Nutzers wird zur Handelsware, die sich jeder kaufen kann. Der gläserne Bürger wird dadurch der anonymen Manipulation durch Werbung, der Überwachung durch Behörden, Personalabteilungen, Geheimdiensten bis hin zu kriminellen Geschäftemachern im Internet ausgeliefert. Diese Entwicklung wurde uns allen erst dank Edward Snowden bewusst und muss im Gemeinderat thematisiert werden. Wir fordern das Verbot der Auswertung von WLAN-Daten durch Privatfirmen in der Stuttgarter Innenstadt. Und außerdem: WLAN ist hoch gesundheitsschädlich, in der Referenzdatenbank der WHO (www.emf-portal.de) wird dies durch über 50 Studien dokumentiert.

4. Fördern gesundheitsverträglicher Alternativen der mobilen Kommunikation
Es gibt keine Strahlen-Schutzbestimmungen für WLAN. Die WLAN-HotSpots tragen zur einer wachsenden Strahlenbelastung bei. Inzwischen gibt es technische Alternativen zu WLAN, die schneller und nach dem Stand des Wissens nicht gesundheitsschädlich sind. Am Heinrich-Hertz-Institut in Berlin (Fraunhofer Gesellschaft) wurde die Datenübertragung Visible Light Communication (VLC, Li-Fi ) über LED-Licht entwickelt, die abhörsicherer und schneller als WLAN ist und keinen Elektrosmog emittiert. Das Heinrich-Hertz-Institut ist für Pilot-Projekte zur Demonstration und Anwendung dieser zukunftsweisenden Technologie bereit. Die Stadt Stuttgart sollte ein Vorreiter der Anwendung dieser Technologie werden.

In den Haushaltberatungen 2016/2017 wurde der Antrag der Gemeinderatsfraktionen der GRÜNEN und SÖS LINKE PLuS ein  für ein VLC-Pilotprojekt an Stuttgarter Schulen mit den Stimmen der CDU beschlossen.