Der Stuttgarter Ex- OB Schuster* ist jetzt Vorsitzender der Telekom-Stiftung. Was will die Telekom? Smartphones und Tablets verkaufen und Profite machen. Dazu dient Schuster als Türöffner. Das Geschäft mit Schulen und Schülern soll Milliarden bringen. Die Zukunft der Bildung hänge davon ab, dass die Bildung digitalisiert werde, so die Verkaufsstrategie. Und die ZEIT spielt bei diesem Spiel mit und veranstaltete im November 2015 mit der Telekom-Stiftung eine Bildungskonferenz, unter der Leitung des zum Lobbyisten mutierten Ex- OB Schuster.

http://www.deutschlandfunk.de/zeit-konferenz-schule-bildung-schule-der-zukunft-alles.680.de.html?dram:article_id=337196

Der Medienprofessor Ralf Lankau (Offenburg) hat die Ergebnisse dieser Konferenz aktuell in dem Artikel “Mit Smartphone und WLAN lernt man besser. Ihre Telekom. Stiftungspropaganda zu Digitaltechnik und (eigenen) Geräten im Unterricht („Bring Your Own Device“)” kommentiert. Erziehungswissenschaftler (s. PDFs zum Download unten) decken in Analysen auf, dass die sogenannte “Digitale Schulreform” von der Industrie gesteuert ist. Sie hat nichts mit Bildung zu tun, sondern ist Kompetenz – Konditionierung der Schüler für die Interessen der Industrie.

Leider fallen viele Lehrerverbände und Kultusministerien auf die Panikstrategie (Der Standort ist gefährdet / Pisa-Schock) herein, mit der sie für die kritiklose Einführung digitaler Medien reif gemacht werden. Die sogenannte “Digitale Bildung” – ein Kerngedanke aller neuen Lehrpläne – schadet unseren Kindern. Bildung kann nur als lebendiges zwischenmenschliches Geschehen stattfinden, mit dem Ziel der Entfaltung der Persönlichkeit in sozialer Verantwortung. “Bildung vollzieht sich also im personalen Bezug von Lehrenden und Lernenden: Bildung basiert auf Beziehung” (KRAUTZ, s. PDF). Die Ersetzung zwischenmenschlicher Beziehungen durch Smartphones, TabletPCs und Algorithmus-gesteuerter Lernprogramme verhindert Bildung.

Hinter dem Begriff Digitale Bildung steht das Menschenbild eines Homo Oeconomicus, eines Menschen, für den die Maximierung seines eigenen Vorteils im Vordergrund steht. Vereinzelt am TabletPC, überwacht und gesteuert von Algorithmen, sollen die anpassungsfähigen Eigenschaften antrainiert werden, die industriellen Verwertungs- und Konsuminteressen nützen. Das versteckt sich hinter dem Begriff “Kompetenzvermittlung”. Bereits Kinder und Schüler werden zu Ich AGs. Die Marktlogik wird zur Logik des Lernens. Lehrer und Erzieher werden zum Lernbegleiter degradiert. Nicht die Erkenntnisse der pädagogischen Wissenschaft leiten die derzeitige Bildungsreform, sondern die Anforderungen der Industrie, kaschiert mit Fortschrittsbegriffen, definiert und durchgesetzt mit Hilfe von Gefälligkeitsgutachten in den Ministerien von Lobbyorganisationen der Industrie, u.a. von der Bertelsmann-Stiftung. Eine Erziehungsreform auf der Grundlage behavioristischer Konditionierung muss man ablehnen: “Daher ist mit aller notwendigen Klarheit zu formulieren: Es gibt weder fachliche noch fachdidaktische noch pädagogische Notwendigkeiten, digitale Medien und Lehrmittel zwingend im Unterricht einzusetzen. Die einzigen, für die der Einsatz digitaler Techniken und Medien in (Hoch)Schulen tatsächlich von Bedeutung ist, sind die Anbieter von Hard- und Software, die ihre Umsätze durch ständig zu aktualisierende IT-Produkte und Dienste auch an staatlichen Schulen verstetigen können” (LANKAU, s. dazu PDF).

 
Analysen zum Bildungskongress der Telekom / ZEIT und  Hintergründe der gegenwärtigen “digitalen” Bildungsreform (Veröffentlichungen mit frdl.Genehmigung der Autoren):

Prof. Ralf Lankau: Mit Smartphone und WLAN lernt man besser. Ihre Telekom. Stiftungspropaganda zu Digitaltechnik und (eigenen) Geräten im Unterricht („Bring Your Own Device“)

http://futur-iii.de/wp-content/uploads/sites/6/2015/11/telekom_byod.pdf

Prof. Ralf Lankau: Gegen die Ökonomisierung des Bildungswesens. Digitalisierung als DeHumanisierung

Lankau_digitaldehuman_2015

Prof. Mathias Burchardt: Liebesgrüße aus Gütersloh

Burchardt_Bertelsmann_Bildung_VjHWPäd_2012

Prof. Jochen Krautz: Ökonomismus in der Bildung: Menschenbilder, Reformstrategien, Akteure

Krautz_Gymnasium-in-NDS-1-2013

Prof. Franz Adlkofer: Die Mobilfunkforschung im Würgegriff von Industrie und Politik

Adlkofer_151015_mf-forschung-im-wuergegriff

Norm Alster, Havard University, Center of Ethics: How the Federal Communications Commission is dominated by the industry it presumably regulates

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Peter Hensinger: Gelogen, Verbogen, Profite Oben. Wie Industrie und Staat Schädigungen des Verbrauchers und der Umwelt „wissenschaftlich“ legitimieren. Vortrag Offene Akademie; 2008, Gelsenkirchen

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* Wolfgang Schuster (CDU) war von 1997 – 2013 Oberbürgermeister in Stuttgart.
Er galt als verlängerter Arm der Immobilienlobby (https://lobbypedia.de/wiki/Wolfgang_Schuster), die ihn 2009 als “herausragende Persönlichkeiten der Immobilienwirtschaft für… nachhaltiges Engagement” mit einem Preis ehrte. Er setzte die Stadtzerstörung durch mit Stuttgart 21 und dem Umbau der Innenstadt zu einem gesichtslosen Warenumschlagplatz mit Banken, Büropalästen und ShoppingMalls, gegen den Protest vieler BürgerInnen und Stadtplaner. Schulgebäude ließ er verrotten, so dass heute noch ein Sanierungsstau besteht. Den Mobilfunkbetreibern ließ er beim Netzausbau freie Hand und verhinderte, dass das Messgutachten S-West im Gemeinderat besprochen wurde.

 

Bücher zum Thema: Industrielle Hintergründe der gegenwärtigen “digitalen” Bildungsreform

Jochen Krautz: Ware Bildung, 2014, München